Harsche Kritik von Middendorp

Bielefeld: Trainer missfällt Berufsauffassung

1:8 in Bremen; drei Pleiten binnen acht Tagen mit 1:13 Toren; zuletzt vier Niederlagen aus fünf Spielen. 21 Gegentreffer (in den vergangenen drei Spielzeiten zu diesem Zeitpunkt 10, 13 und 7!) sind Liga-Höchstwert, auch bei Standards allgemein (9), Ecken (4) im Besonderen sowie Kopfbällen ( im ganz Speziellen ist der DSC "spitze" - schon die Statistik belegt: Trotz zehn Punkten, bei Arminia steckt der Wurm drin.

Schleichend hat sich die Spiel-anlage geändert. Zuletzt waren häufiger lange Pässe zu sehen. Auch die von Ernst Middendorp eingeforderten Diagonalpässe - gegen extrem verschiebende Bremer eigentlich ein probates Mittel, gegen tief stehende Gegner wie Hannover oder jetzt den HSV, die die Flügel doppelt besetzen, aber weniger erfolgversprechend - führten nicht zum Erfolg, sondern nur zu Ballverlusten. Vom einst typischen Vertikalspiel mit entgegenkommenden Stürmern ist nichts mehr zu sehen. Arminias Spiel ist beliebig, trägt keine Handschrift mehr.

Es fehlt das Miteinander - auch kämpferisch. "Jeder passt auf sich selbst auf, nach dem Motto: Hauptsache nicht ich", hat Middendorp erkannt. In der starken Endphase der vergangenen Saison, als gut kombiniert wurde, "war der Teamgeist überragend. Jeder hat für jeden gekämpft", erklärt ein Spieler.

Wie reagiert Middendorp? Der 48-Jährige bleibt, für viele überraschend, ruhig. Seine Kritik in der Teambesprechung am Sonntag sowie seine Ansprache am Dienstag blieben rein sachlich. Keine Spur von "Ekel-Ernst". Dafür dreht der Trainer unaufgeregt an verschiedenen Schrauben, die da wären:

Das Trainingspensum: Schon vor dem 1:8 in Bremen klagten einige Akteure über schwere Beine. Am Sonntag verneinte Middendorp noch, dass mangelnde Frische eine Ursache für das Tief sei. Jetzt reagierte er trotzdem, reduzierte den Trainingsumfang. Dienstag und Mittwoch wurde statt wie üblich nicht zwei Mal, sondern jeweils nur ein Mal trainiert. Zudem enden die Einheiten nicht mehr mit Läufen nach Pulsvorgabe, die eher ein Ausdauer-training darstellten, sondern mit einem die Regeneration fördernden Austraben über 15Minuten.

Das System: Middendorp stellt vom 4-4-2 mit Raute wohl auf ein 4-1-4-1 um. Hintergrund: Dieses passt bestens zum 4-2-3-1, das der HSV und der folgende Gegner, der KSC, spielen. Auch ein psychologischer Kniff? In diesem System gabs vergangene Saison den ersten Sieg unter Middendorp (1:0 gegen Dortmund).

Das Personal: Verletzungsbedingt (Mijatovic, Rau) muss Middendorp ohnehin wechseln. Wahrscheinlich darf der eine oder andere von der "Katastrophenwoche" unbelastete Akteur ran: Auf dem linken Flügel wird wohl Nachkauf Daniel Halfar (19) sein DSC-Debüt feiern, auf dem rechten Sibusiso Zuma (32) erstmals diese Saison beginnen. Zwei individuell starke, selbstbewusste Akteure, die Zeichen setzen könnten. Auch Thorben Marx (26), der in Bremen seinen Saisoneinstand gab, und Markus Bollmann (26), der nur 13 der 270Horrorminuten dabei war, wären "frische" Gesichter.

Der Druck: Vier neue Akteure in der Startelf wären keine Überraschung - ähnlich mischte Middendorp im April vor dem 3:2 in Wolfsburg durch (fünf Wechsel, Systemumstellung), nachdem er bei seinen Mannen Selbstzufriedenheit diagnostiziert hatte. Wie damals spricht Middendorp auch jetzt davon, dass die Mannschaft "bequem" werde, wenn man sie auf acht oder neun Posi-tionen in Ruhe lasse. Ein fraglicher Ansatz, scheinen einzelne Spieler durch Middendorps Rotationen ohnehin schon verunsichert.

Im Westfalenblatt prangerte dieser am Mittwoch erneut mangelnde Professionalität an: "Es gibt einige Spieler, bei denen es mit der Berufsauffassung ein bisschen hapert." Starker Tobak, stand Arminias Kader doch immer für seriöse Einstellung, Einsatzbereitschaft und Teamgeist - Tugenden, die Middendorps grandiose Rettungsaktion vergangene Saison trotz radikalster Methoden des Trainers erst möglich machten.